In den sozialen Medien gibt es ein neues Phänomen, das mich als Feministin der alten Schule ein wenig ratlos hinterlässt:
In jeder erdenklichen Situation lassen Frauen aus vermeintlich feministischen Gründen die Hüllen fallen und beschweren sich dann darüber, sexualisiert zu werden.
Da ist zum Beispiel die üppige Yogini, die Yoga bevorzugt halbnackt an öffentlichen Plätzen praktiziert, die Fotos von sich postet, wie sie meditiert (natürlich barbusig, nur mit durchsichtigem Jäckchen bekleidet) –
und die in jedem Text schreibt, wie entsetzlich es ist, dass Frauenkörper sexualisiert werden, und welch eine Schande es ist, wenn ein Mann einer Frau auf den Busen schaut.
Gilt das aber auch, wenn Frau diesen Busen freiweillig zur Schau stellt?
Wer fragt, warum frau Yoga nackt praktizieren muss, um feministisch zu sein, wird kommentarlos blockiert. Die mehr als 600.000 Follower bejubeln jedes dieser Fotos –
die Frage ist nur: Hat diese Dame vielleicht wegen ihrer Nacktfotos so viele Follower?
Es gab auch Aufregung um ein bisher unbekanntes Model, das für Geld Nacktfotos von sich verschickt und den so gesammelten Betrag an australische Hilfsorganisationen spendet, die Buschbrände bekämpfen –
während sie sich gleichzeitig beschwert, dass Männer sich nur für ihren Körper, nicht aber ihre Persönlichkeit interessieren.
Für Australien zu spenden ist eine gute Sache, wer sich dafür ausziehen möchte, kann das natürlich tun, die Frage ist nur:
Warum beschwert frau sich dann, dass Männer sich nur für ihren Körper interessieren? Sie könnte ja auch Gedichte verschicken.
Seit ich diesen Trend beobachte, denke ich darüber nach, es beschäftigt mich wirklich.
Ich verstehe daran nämlich so einiges nicht –
obwohl ich mich wirklich bemühe.
Wer in sozialen Medien Bilder von sich postet, zeigt manchmal mehr Haut, manchmal weniger.
Ich persönlich wähle meistens Bilder, auf denen ich bekleidet bin –
manchmal ist aber auch bei mir ein Bikinifoto aus dem Urlaub dabei.
Was ich aber nicht verstehe, ist die Tatsache, dass die Nacktbilder in den oben genannten Fällen einem leicht erkennbaren Zweck dienen, der jedoch vehement geleugnet wird:
Reichweite zu erzeugen und damit Geld zu verdienen.
Dabei ist das doch vollkommen legitim, jede/r wählt für sich den Weg, den er oder sie eben gehen will.
Wenn sich jemand gerne halbnackt zeigen möchte und dadurch auch noch die Anzahl der Follower steigert, dann ist das doch wunderbar.
Warum muss dann aber so getan werden, als wäre es furchtbar, dass die Menschen sich diese nackten Tatsachen dann auch ansehen? Wurden sie nicht genau aus diesem Grund fotografiert?
Der weibliche Busen ist nun mal ein sekundäres Geschlechtsmerkmal, dafür geschaffen, Partner/innen anzulocken. Wenn ich meinen Busen in eine Kamera halte, wird jemand hinschauen und sich vielleicht sexuell angeregt fühlen.
So einfach ist das eigentlich –
ein Busen ist eben kein kleiner Finger.
Spannend wird es für mich aber dann, wenn das Nacktsein in der Yogawelt ankommt –
denn #SexSells und Yoga haben eigentlich keine Gemeinsamkeiten.
Im Yoga geht’s um den Blick nach innen, darum, das Außen nicht mehr so wichtig sein zu lassen, zu erkennen, dass das eigene Innere immer wichtiger ist als all der Wahnsinn rund um uns herum.
Nacktbilder erfüllen jedoch nur eine Aufgabe: Aufmerksamkeit im Außen zu erzeugen.
Niemand macht Nacktbilder beim Yoga und postet diese auf Instagram, nur für sich selbst.
Niemand macht Nacktbilder beim Meditieren, auf denen man mehr sieht, als man bei fremden Menschen sehen möchte, nur für sich selbst.
Ich finde Nacktsein super, ich brauch dafür zwar keine Zuschauer/innen, aber das ist bei anderen eben anders.
Ich finde es auch absolut legitim, dass jemand sich gerne nackt zeigt, egal wie dick oder dünn dieser jemand ist – das beurteile ich nicht. Wir sollten noch viel öfter sehen, wie verschieden Menschen sein können, das würde unserer Gesellschaft wirklich gut tun.
Aber ich finde auch, ein wenig Ehrlichkeit wäre schön.
Mit jedem Kleidungsstück, das auf einem Bild oder Video nicht getragen wird, steigt die Aufmerksamkeit der anderen.
Wer sich für diese Aufmerksamkeit, für die Reichweite, die Follower ausziehen möchte, soll das gerne machen –
aber auch so ehrlich sein, das zuzugeben.
Es ist nämlich weder megafeministisch noch superyogisch, wenn man in den sozialen Medien mehr Haut zeigt –
es zeigt nur, dass man eins verstanden hat:
#SexSells.
* * *
Zwei Dinge muss ich unbedingt klarstellen:
Erstens.
Dass ich es seltsam finde, Nacktfotos von sich zu posten und sich dann zu beschweren, dass jemand hinschaut, bedeutet nicht, dass ich auch glaube, dass Frauen in Miniröcken angegrapscht werden wollen. Natürlich nicht!
Jede Frau soll anziehen können, was sie möchte, ohne dafür in eine ungute oder gar gefährliche Situation zu kommen.
Was wir Frauen aber nicht vergessen dürfen, ist die Tatsache, dass wir noch nicht in einer solchen Welt leben –
auch wenn die Mehrheit der Männer weiß, dass eine Frau in knappen Klamotten einfach gern knappe Klamotten trägt und das kein Freibrief zu Übergriffen ist, gibt es noch jene Männer, denen das nicht klar ist.
Und genau diese Kerle bringen mich zu
zweitens.
Ich habe einen erwachsenen Sohn und zwei jüngere Töchter –
und ich habe alle drei zu Menschen erzogen, die andere als gleichberechtigt anerkennen. Und zwar alle anderen, egal was sie anhaben.
Es ist aber gerade bei den Mädels keine leichte Sache zu erklären, warum es möglich sein müsste, dass sie abends allein durch einen Park nach Hause gehen, in roten High Heels und Minirock, und warum es dennoch sicherer ist, eine Jeans zu tragen und einen männlichen Begleiter an der Seite zu haben.
Die Welt ist nicht so einfach, wie es uns manche Influencerinnen auf Instagram glauben machen wollen.
Ja, ich kann in einem durchsichtigen Shirt ohne BH in einem Kaffeehaus sitzen, das ist eine Errungenschaft unserer Urahninnen, und darauf können wir stolz sein. Niemand schreibt uns mehr vor, was wir tragen dürfen und was nicht.
Es muss mir aber auch klar sein, dass ich in diesem Aufzug die Blicke auf mich ziehen werde (was vermutlich ja auch der Grund ist, warum ich so dasitze), und dass es immer wieder Menschen geben wird, denen schauen allein nicht ausreicht.
Jemandem meine sekundären Geschlechtsmerkmale vor die Nase zu halten und mich dann zu beschweren, dass dieser jemand hinsieht, das ist jedenfalls weder feministisch noch yogisch und bringt auch unsere Gesellschaft nicht weiter.
Ganz im Gegenteil, befürchte ich.
#Namaste
Hat dies auf sinn.wort.spiel. rebloggt und kommentierte:
der feminismus treibt mancherorts seltsame blüten.
neu im feministischen spiel: ausziehen für die gute sache.
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Wow. Ich vermag nicht zu sagen, wo „Feminismus alter Schule“ aufhört und der einer neueren Schule beginnt (oder geht es da um die halbwegs definierten drei Wellen?), aber: Diesen Text nicht in Gottes, aber in aller Ohr. Ich glaube ich kriege beim Wort „Feminismus“ deswegen seit allzu langer Zeit ein wenig Ausschlag, weil das, was du in deinem Text fett gedruckt hast, exakt so in meinem Denken vorkommt, ich die gleichen Antworten suche. Als Mann diese Fragen zu stellen endet in vielem. Selten in einem Gespräch oder einer Darlegung, die eventuell nicht meine, aber nachvollziehbar und dadurch respektabel ist.
Ich weiß gerade gar nicht, ob ich mich freuen oder bekümmert sein soll, dass auch du blockiert wirst, gelöscht etc.
Ich war 2 Monate bei INSTAGRAM, bin dann geflüchtet. Vermutlich muss ich dir nicht erklären warum. Da wird das von dir hier Erläuterte derart auf die Spitze getrieben, dass es kabarettistische Züge trägt.
Möge die Welt sich dir ewiglich offenbaren, zugleich jedoch genug Geheimnisse bewahren
David
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wow. genau.
leider hast du recht. feminismus ist ein ‚gegen alle‘ geworden, nicht nur gegen männer, auch und vor allem gegen andere frauen. das verstört mich zutiefst.
auch als frau ist nachzufragen keine option und endet in gehate und einer blockierung.
das macht mir ein wenig angst, muss ich gestehen.
danke für deinen kommentar. :)
sybille
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wow, danke.
gigng mir auch etwas um dich: ich war aggro, wie stier.
hm, wir sollten gemeinsam mal ne idee starten
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du zu mir?
ja. definitiv.
ich habs aber so an mir, dass sich stiere an mir die hörner abstoßen. ;) keine chance. hehe.
was für eine gemeinsame idee?
(bist du eigentlich über sinnwortspiel hierhergekommen?)
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