Vom Bett direkt auf die Matte – oder: Die Realität ist eine andere.

Wer kennt sie nicht, die Bilder und Texte diverser Yoga-Influencer und -innen, die uns erzählen, dass sie morgens nur heißes Zitronenwasser mit Honig zu sich nehmen, aber erst nachdem sie direkt vom Bett auf die Matte gefallen sind, um sich dort 90 Minuten lang auszupowern und danach noch mindestens eine Stunde zu meditieren …
der perfekte Start in einen yogischen Tag.

Und die beste Art, uns Normalos ein schlechtes Gewissen zu machen.
Denn obwohl ich Yogalehrerin bin und vermutlich mehr Yoga praktiziere als Nicht-Yogalehrende, ist das weit entfernt vom normalen Leben, das die Mehrheit von uns lebt –
ein Leben geprägt von Familie und Arbeitsalltag, von Hobbys und Freund/innen, und von Dutzenden Dingen, die man gerne machen würde, zu denen man aber einfach nicht kommt.
Das sagt uns nur keine/r, das ist eben nicht so glamourös.

Da ich aber ohnehin keine Freundin von Glamour bin, sag ich ganz ehrlich:
Das echte Leben schaut für die allermeisten Menschen anders aus.

Ich finde das gut so, denn:
Ich möchte nicht jeden Morgen die Zeit haben, mit den Vögeln aufzustehen, um dann die Yogamatte aufzurollen und mehrere Stunden Yoga zu praktizieren. Das ist manchmal nett, ja, im Urlaub am Meer etwa, oder an Samstagen im Garten.
Aber ich liebe die wilde, laute und manchmal anstrengende Stunde zwischen 6:30 und 7:30 morgens, wenn meine Familie sich bereit macht für den Tag, während ich mit Brille auf der Nase und Kaffeehäferl in der Hand mitten drin steh und versuche, Ordnung ins Chaos zu bringen.
Denn es gibt immer Dutzende Dinge zu tun, in dieser einen Stunde:
die Kinder wecken, Frühstück machen, Jause vorbereiten, Kleiderfragen klären, Frisuren machen oder kontrollieren, Sonnencreme verteilen, die Meerschweinchen füttern, alle Fenster öffnen, damit die kühle Morgenluft die Hitze der Nacht vertreibt, nach der Reihe mehrere Kinder zum Abschied küssen und auf den Weg schicken, und natürlich auch den Gatten verabschieden.
Das sind aber nur die Dinge, die täglich zu tun sind –
sehr oft kommen andere Dinge dazu, wie etwa Wandertage, die vergessen wurden, aber eine besondere Jause erfordern, verschollene Kleidungsstücke, kleinere oder größere Streits, die geschlichtet werden müssen, Zettel, die unterschrieben werden sollen …
wer Kinder hat, kennt das.

Und dann, erst dann, wenn all das erledigt ist, ist Zeit für ein wenig Yoga im Garten:

https://www.instagram.com/p/BzHxymtIYWA/

Hätte ich Zeit für frühmorgendliches Yoga samt Meditation, dann würde das bedeuten, dass ich meine Familie nicht hätte …
undenkbar. Das mag ich mir nicht einmal vorstellen.

Natürlich könnte ich jeden Tag eine Stunde früher aufstehen und mit der aufgehenden Sonne yogieren –
was wiederum bedeuten würde, dass ich früher schlafen gehen müsste, damit ich morgens fit bin. Aber auch das ist keine Option:
Wer Familie hat, weiß auch, wie wichtig die Zeit mit dem Partner oder der Partnerin ist, wir sind nicht nur Mamas und Papas, wir sind auch Freund/innen, Eheleute, Geliebte.
Zeit mit meinem Mann hab ich aber nur abends, wenn die Kinder im Bett sind –
und auch für mich ist eigentlich nur dann Zeit.
Zeit, um still im Garten zu sitzen und den Vögeln zu lauschen, um zu yogieren, zu entspannen, ein Buch zu lesen oder einen Film anzusehen, mit dem Gatten den Tag zu besprechen oder um einfach nur ein gutes Glas Wein zu trinken und die beiden Glühwürmchen zu beobachten, die in unserem Garten wohnen.

Ich mag das so und möchte mit niemandem tauschen.
Aber – und das ist wichtig! – ich verstehe auch alle, die das anders machen, die keine Kinder haben und auch keine wollen, die lieber frühmorgens yogieren anstatt Butterbrote zu schmieren, die lieber Zitronenwasser als Kaffee trinken und die abends gern vor 22 Uhr im Bett liegen, damit sie morgens fit sind fürs Yoga.
Wenn das für jemanden der richtige Weg ist, dann freu ich mich darüber!

Ich hab aber eine Bitte:
Tut nicht so, als wär das der einzig yogische Weg durchs Leben
denn das stimmt nicht.

Yoga ist so vielfältig wie auch wir Menschen und passt sich jeder Lebenssituation an, das ist ja das Wunderbare daran.
Egal wer, egal wo, egal wie oder wann:
Yoga ist für alle da …
und niemand ist weniger yogisch, nur weil morgens der Kaffee besser schmeckt als Zitronenwasser mit Honig.

Versprochen!

 

Warum uns nur Ehrlichkeit weiterbringt – oder: Lügen? Echt jetzt?

Im Yoga gibt es die yamas und niyamas, eine Art Verhaltensempfehlung für den Umgang mit der Umwelt, unseren Mitmenschen und uns selbst.
Natürlich interpretiert die jede/r so für sich, dass es sich gut danach leben lässt, wie bei allem im Leben –
allerdings halte ich das Interpretieren bei satya, der Wahrhaftigkeit, für am Schwierigsten.

Denn welche Möglichkeiten hab ich?
Ich kann die Wahrheit sagen, lügen oder schweigen, wenn ich jemanden mit der Wahrheit verletzen würde und das nicht möchte (Stichwort ahimsa, die Gewaltlosigkeit in Gedanken, Worten und Taten).
Ich kann aber auch schweigen, weil ich nicht die Wahrheit sagen möchte, und das hat mit Wahrhaftigkeit rein gar nichts zu tun.

Ich lege großen Wert auf Wahrhaftigkeit –
da ich mein Herz auf der Zunge trage, kommen mir Lügen schon seit Jahren nicht mehr über die Lippen.
Klar war das in meiner Kindheit und Jugend anders, wie bei allen von uns vermutlich, aber je älter ich werde, desto weniger Kraft habe ich für falsches Lächeln und irgendwelche Lügen.

Umso erstaunter war ich, als bei den Recherchen zu meiner Zero Waste-Liste auf einige Unwahrheiten gestoßen bin.

Ja, #ZeroWaste ist ein Lifestyle geworden, es ist in, und das ist natürlich toll, denn je mehr Menschen sich Gedanken um den Zustand unseres Planeten machen, umso besser.
Es ist nur leider vollkommen sinnlos, wenn Menschen sich im Internet als müllfrei präsentieren und stolz erzählen, wie sie es schaffen, in einem Jahr nur wenige Gramm an Müll zu produzieren, um diesen dann in einem Glas zu sammeln –
so einfach ist das nämlich leider nicht.
Und deswegen wird auch immer einiges verschwiegen.

Solche Beiträge sind eigentlich ziemlich fies, denn:
Unsereiner liest sie und ist enttäuscht, weil es zu Hause nicht gelingt, wenige Gramm an Müll zu produzieren, egal wie sehr wir uns bemühen.
Und was macht Enttäuschung mit uns?
Genau, wir geben auf und machen lieber gar nichts mehr.
Schade eigentlich.

Deswegen geb ich auch immer unumwunden zu:
Von #ZeroWaste und #Plastikfrei bin ich meilenweit entfernt, auch wenn ich mich wirklich bemühe –
und das wird sich vermutlich auch nicht so schnell ändern.

Um den Müll eines Jahres in nur einem Glas unterzubringen, müssen nämlich die Rahmenbedingungen stimmen –
und ein paar davon hab ich in den letzten Tagen herausgefunden.

Der Wohnort:
Es ist tatsächlich unheimlich wichtig, wo man wohnt –
in coolen Großstädten wie Berlin ist es einfach, müllfrei einkaufen zu gehen, weil es dort etliche Unverpackt-Läden gibt. Wer aber in, sagen wir, Oberösterreich auf dem Land lebt, wird sich da schwerer tun, vor allem wenn etwas anderes als Obst oder Gemüse eingekauft werden soll.
Außerdem leben viele der Zero-Waste-Ikonen in tropischen Regionen, in denen man Obst, Gemüse und Snacks in Banenenblättern verpackt auf Märkten kaufen und Kokoswasser direkt aus der Nuss trinken kann –
das nützt uns hier in Europa aber leider wenig, da kommen uns die vielen Regeln und Hygienevorschriften in die Quere.
(Und das ist ja auch gut so.)

Die Lebenssituation:
Viele derer, die sich im Internet als komplett müllfrei präsentieren, sind sehr junge Frauen, meist Single und kinderlos.
Gerade die Kinderlosigkeit macht die Sache natürlich um ein Vielfaches einfacher –
ich brauche keine Babysachen, keine Windeln, keine Medizin, ich muss keine Schulsachen besorgen (probier das mal Müll- und Plastikfrei), keine Jause herrichten und täglich mehrere Mahlzeiten kochen, ich muss keine (manchmal sonderbaren) Kinderwünsche erfüllen, ich hab generell viel mehr Zeit, mir Gedanken um ein plastikfreies Leben zu machen.
Natürlich klappt es auch mit Kindern, Einweg-Plastik zu vermeiden und ein bisschen weniger Müll zu produzieren, ich hab ja selbst drei Kinder, aber einfacher ist es natürlich, wenn ich ganz für mich allein Dinge entscheiden kann, wenn ich keinen Partner habe, auf den ich Rücksicht nehmen möchte, wenn ich müllfrei kochen kann, was ich will, weil niemand anderer da ist, dessen Vorlieben ich beachten muss.
(Eine traurige Vorstellung, eigentlich.)

Wer eine Familie gründet und eine gemeinsame Wohnung bezieht, tut sich sehr schwer, das müllfrei zu tun –
das ist in einer schicken, fertig möblierten Wohnung in einer hippen Stadt natürlich alles viel einfacher.

Denn es ist doch so:
Klar klappt es plastik- und müllfrei auch unter (nennen wir es) erschwerten Bedingungen, solche Blogs findet man ebenso, wenn auch selten –
wer allerdings schwanger ist, ein Neugeborenes zu versorgen hat oder sich mit (chronischen) Erkrankungen herumschlagen muss, dem fehlt ziemlich sicher die Muse, sich Gedanken um ein müllfreies Leben zu machen.

Persönliche Voraussetzungen:
Bei meinen Recherchen zu plastikfreiem bzw. -reduziertem Make-up hab ich außerdem festgestellt, dass viele der Beauty-Bloggerinnen einen tollen Teint haben und selbst im Winter nicht so leichenblass sind wie ich, oft gepaart mit wunderbar langen Wimpern und pflegeleichter Haut.
Wäre ich mit einem solchen Teint gesegnet, ich würde auch auf Foundation und Puder verzichten –
ich aber schlag mich mit bleicher Haut, Pickeln und kaum sichtbaren Wimpern herum, und ich muss gestehen:
So lauf ich nur sehr ungern herum, auch wenn das vielleicht ein wenig eitel ist.
(Ok, nicht vielleicht, es ist eitel.)

Außerdem sind viele der Blogger/innen scheinbar nie krank, haben nie Kopfschmerzen, nehmen keinerlei Medikamente und benutzen keine Verhütungsmittel –
sowas findet sich nämlich nie in den Müllgläsern.
Das kann gar nicht wahr sein, so sehr ich jedem Menschen ewige Gesundheit vergönne.

Die Prioritäten:
Ganz oft hab ich bemerkt, dass die Produkte, die vorgestellt werden, zwar plastikfrei sind, dafür aus fernen Ländern zu uns fliegen –
die tolle Foundation im Karton, die aus Australien kommt, die Cake Mascara aus den USA, die Bienenwachstücher, die ebenfalls aus Amerika kommen.
Ich halte das für keine guten Alternativen, vor allem dann nicht, wenn es gleichwertige Produkte aus Österreich oder zumindest näher gelegenen Gegenden gibt –
und die gibt es immer, man muss nur ein wenig länger suchen.

Überhaupt stört es viele gar nicht, wenn die seltsamsten Dinge rund um die Welt fliegen –
wer sich in Österreich mit Klopapier aus Bambus den Po putzt, hat #ZeroWaste und #SaveThePlanet nicht verstanden.

Gerade bei Blogger/innen kommt dann außerdem dazu, dass sie viele der vorgestellten Produkte gratis zur Verfügung gestellt bekommen –
und einem geschenkten Gaul schaut man ja bekanntlich nicht ins Maul.

Die Sache mit der Wahrheit:
Was mich aber wirklich stört, ist Unehrlichkeit – die Rahmenbedingungen kann man ja nur bedingt beeinflussen.

Eine neue Wimperntusche im angesagten Bambus-Look und noch dazu vegan? Toll!
(Dass sie im Inneren aber trotzdem Plastikteile versteckt, wird charmant verschwiegen.)
Bienenwachstücher, in denen das Jausenbrot verpackt wird? Klasse!
(Dass sie aus Amerika kommen, weiß ja keine/r. Dabei gibt’s tolle aus Österreich!)
Megatolle Badebomben, ganz ohne Müll? Perfekt.
(Gibt’s halt nur für Blogger/innen, die eine Kooperation mit der Firma haben.)

Und mit dem Ansatz, Müll im Laden zu lassen und sich dann darauf zu berufen, man habe ihn gar nicht erst produziert, kann ich gar nichts anfangen –
das hilft vielleicht dem eigenen Gewissen, der Planet hat nichts davon.

Leute, seid doch ehrlich!

Es macht nichts, wenn nicht alles perfekt ist. Niemand ist perfekt.
Wenn du auf den tollen Lippenpflegestift nicht verzichten möchtest – okay. Dann achtest du eben auf etwas anderes. Gemeinsam achten wir dann auf alles!

Warum ich das so betone?
Weil es wichtiger ist, dass wir alle etwas weniger Müll produzieren, nicht nur ein paar vermeintlich gar keinen –
das ist die viel bessere Variante, sonst ersticken wir im Müll.
Nur wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir etwas bewegen –
dass jemand den ganzen Müll seines Jahres in einem Glas unterbringt, wird wohl eher Ausnahme bleiben, als zur Regel zu werden.

Es geht doch darum, dass wir uns alle ein wenig bemühen, ein wenig achtsamer werden, und uns bei manchen Dingen fragen:
Brauch ich das wirklich?

Denn ganz oft lautet die Antwort:
Nein.

#Namaste!

***

Eines möchte ich aber noch betonen:

Viele der Blog-Beiträge sind voller guter Anregungen und toller Tipps, ich hab mir da schon viel abgeschaut.

Danke dafür!

 

 

 

#MeToo im #Yoga? (Ein #Aufschrei)

In den letzten Wochen hörte man in den Medien immer wieder von einem Missbrauchs-Skandal bei Agama Yoga
Frauen und Männer berichten von sexuellen Übergriffen, von sektenähnlichen Machtstrukturen und heilenden Therapien, die sich in Wahrheit als Sex mit dem Guru haben müssen entpuppten.

Wer sich jetzt fragt, wie etwas so Schreckliches gerade in einem vermeintlich so achtsamen Umfeld wie der Yogaszene passieren kann, dem möchte ich gerne eine Antwort darauf geben:
Das unerträgliche Schweigen macht’s möglich.

Denn:
Niemand aus meinem engeren Yoga-Umfeld –
ich wiederhole: niemand! –
hat auch nur ein Sterbenswörtchen dazu gesagt.
Und auch sonst kaum jemand.

Und ich meine damit nicht die Opfer, deren Schweigen nur allzu verständlich ist, nein:

Ich meine alle, die davon wissen und nichts dazu sagen, keinen Einspruch erheben.

Die vorwiegend weiblichen Yogalehrenden, die merken, was in manchen Yogastudios abgeht.
Die Yogalehrenden, die in den thailändischen Ashrams arbeiten und absichtlich wegsehen.
Jene, denen kein Es tut mir leid oder Kann ich dir helfen? über die Lippen kommt.
Nicht einmal ein Wir müssen da über etwas reden.
Und auch jene, die im Nachhinein sagen: Ja, davon hab ich gewusst.

Warum habt ihr dann nichts gesagt?!

Im Yoga reden wir immer davon, dass wir nur uns selbst ändern können, dass wir die Welt um uns deshalb akzeptieren müssen, weil uns ja gar nichts anderes übrig bleibt, wir fokussieren auf das, was in uns selbst stattfindet.
An sich ein gutes Konzept …
ändern können wir ja wirklich nur uns selbst.
In meiner Ausbildung aber sagte der Mann, der uns yogische Philosophie lehren sollte, dass wir uns emotional abkoppeln müssen von dem, was im Außen passiert, weil wir ja nur das Innen beeinflussen können –
und ich fand den Gedanken so unfassbar schlimm.
Warum?

Genau wegen Vorfällen wie jenen im Agama Yoga.

Vielleicht kann ich nur mich selbst ändern, mag sein, und ja, daran arbeite ich auch jeden Tag –
aber ich kann sehr wohl auch beeinflussen, wie es den Menschen rund um mich geht. Ich kann beeinflussen, was Menschen erleben, was sie wissen, ich kann ein Vorbild sein und anderen den Rücken stärken.
Und ich kann helfen.
Denn ich bin zwar nur Yogalehrerin, vor allem aber bin ich Frau, Mutter, Freundin und Kämpferin –
und ich finde, wie dürfen uns nicht vor der Verantwortung drücken und auf uralte yogische Philosophien verweisen, auch wenn wir Angst haben, wenn es schwierig ist, wenn wir nicht mehr weiter wissen.

Denn dieses Schweigen ist einfach nur feige –
und es hilft den Tätern in ihrem Tun.
Das kann ja wirklich niemand wollen, oder?

#Namaste.

* * *

Die Presse hat über Agama Yoga geschrieben, im Speziellen auch über das Studio in Linz. Mittlerweile ermittelt sogar schon die Staatsanwaltschaft.
Und ja, ich hab was dazu gesagt, denn ich hatte etwas zu sagen.
Ich bin knapp 40 Jahre alt und habe mehr als einmal (auch sexuelle) Übergriffe erlebt, wie vermutlich die Mehrheit aller Frauen –
nichts zu sagen ist in diesem Fall einfach keine Option.

Vielleicht ist Reden silber und Schweigen gold, auf viele Situationen im Leben mag das zutreffen –
im Fall von sexuellem Missbrauch aber gilt diese Regel nicht, da gibt’s nur eins, das hilft:

Drüber reden!

* * *

UPDATE:

Ich habe mich dazu entschieden, öffentlich mit meinem Namen gegen den Missbrauch einzutreten
danke an die Presse für diese Möglichkeit.

Nur unser gemeinsamer Aufschrei kann diese Machtstrukturen durchbrechen und aufzeigen, was hinter den Kulissen gespielt wird –
ein Spiel, das wir endlich beenden müssen!

Es herbstlt! oder: Warum ich nicht perfekt sein muss.

Der Wind, der uns die Haare ins Gesicht weht, fühlt sich kühler an –
und auch, wenn wir noch mutig barfuß durchs Gras laufen, merken wir doch, dass der Boden nicht mehr so warm ist wie noch vor einem Monat.
Rotgoldene Blätter fallen von den Bäumen –
und die Laubhaufen am Boden verleiten uns dazu, lustige Fotos zu machen und herumzualbern.

 

 

https://www.instagram.com/p/Bo6iuREHjpF/?taken-by=sibl_and_the_wheel

Dieses Foto hab ich übrigens gestern im Hellbrunner Park gemacht –
Bhujapidasana, die Armdruck-Haltung.
Gar nicht so einfach in Jeans.

Ich bin ein Fan von Ehrlichkeit, von Authentizität, und ich finde, das darf man auch auf Instagram sehen –
perfekt dürfen gern die anderen sein, ich mach lieber Quatsch mit meinen Kindern:

 

https://www.instagram.com/p/Bo7HLfbHvrF/?taken-by=sibl_and_the_wheel

Habt eine feine Woche!
#Namaste!

Wie man seine Insta-Bilder entzaubert – oder: Satya in Höchstform.

Wenn ich eins der yogischen yamas nach Patanjali verinnerlicht habe, dann ist es satya, die Wahrhaftigkeit –
denn ich bin ein (manchmal) gnadenlos ehrlicher Mensch.
Das ist oft gut, manchmal weniger –
aber es ist befreiend, sich nicht verstellen oder gar lügen zu müssen.

Und ich möchte das auch gar nicht, muss ich ehrlicherweise (seht Ihr!?) gestehen.
Zu viel Schlechtes entsteht aus der Angewohnheit vieler Menschen, nicht die Wahrheit zu sagen, dafür hintenrum zu tuscheln und zu tratschen.
Das hat auch viel mit Mut zu tun:
Die Wahrheit ist nicht immer angenehm, manchmal braucht es wahrlich Mut, sie auszusprechen, und noch mehr, sie anzuhören –
oder auch einfach mal zu schweigen.
Denn satya bedeutet auch, zu überdenken, wie die Wahrheit bei meinem Gegenüber ankommt, Worte bewusst und achtsam zu wählen –
und das wiederum führt recht oft dazu, dass es besser ist, zu lächeln und nichts zu sagen.
Nicht immer ist es für alle Beteiligten angenehm, die Wahrheit zu sagen oder zu hören, und manchmal steht es mir auch einfach nicht zu, meine Meinung abzugeben.

Das Schwierigste an satya aber ist, dass man auch zu sich selbst ehrlich sein sollte.
Man muss sich Fehler eingestehen, sollte sich nicht selbst belügen, und öfter einmal das überdenken, was man sagt oder tut.

Oder was man auf Instagram postet.
Klingt komisch, ist aber so.

Es gibt unendlich viele Bilder auf Instagram, und mindestens die Hälfte davon gaukelt uns eine Welt vor, die es so nicht gibt –
ausgewählte Augenblicke, an denen lange gearbeitet wird, damit sie prunkvoll den Neid der Follower wecken.
Ich bin kein Fan dieser Scheinwelt –
ein Grund, warum ich etwa nie besonders ausgefallene Asanas poste, die ich vielleicht nicht einmal beherrsche, in die mir aber jemand hineinhilft, weil sie sich gut auf meinem Insta-Account machen, und unter die ich nicht schreibe, dass ich eigentlich noch daran arbeiten muss.
Fake it ‚til you make it – dieses Motto ist überhaupt nicht meins.
Aber ich poste sehr gern Fotos auf Instagram, ich liebe das Tüfteln mit Filtern und Bildausschnitten, und ich gebe zu, dass auch ich nur einen winzigen Ausschnitt meines Lebens festhalte.

Deshalb mach ich mir heute den Spaß und entzaubere ein paar Insta-Bilder –
natürlich nur meine eigenen.

Zum Beispiel dieses hier, für das ich sehr viel Lob bekommen hab:

Sieht so friedlich aus, nicht wahr, Snowga im idyllischen Bad Mitterndorf, how amazing!
Tja, unter den Schneemassen liegt meine Yogamatte, ich steck mit dem rechten Fuß in einem Winterstiefel, und es war so kalt, dass ich nach den paar Fotos, die mein Gatte dankenswerterweise machte, sofort wieder ins Haus lief und von der Schwiegermama heißen Tee bekam, damit ich mich nicht erkälte.
Hat sich ausgezahlt, weil die Fotos wirklich top geworden geworden sind:

https://www.instagram.com/p/B3O3a5oI8Gk/

Mit meiner eigenen Yogapraxis hat das aber natürlich nichts zu tun.
Ich mein:
Wer macht schon Yoga im Schnee, bei Minusgraden?
Das macht man tatsächlich nur für’s Foto, und daran ist ja auch nichts verwerflich.

Oder das, mein Lieblings-Yogavideo –
die Kriegerin auf dem Schi-Laufband:

https://www.instagram.com/p/B2WdNLnoG1E/

Ich mag das Video, es ist wirklich lustig, und es war natürlich ein Spaß, auf einem Rollband über den Berg zu fahren und Asanas vorzuführen –
Dutzende Male, weil ich immer den Einsatz verpasst hab, das schwarze Band war glühend heiß, und rundherum standen hunderte Menschen, die zugeschaut und Fotos von uns gemacht haben, weil da eigentlich gerade eine Veranstaltung war.
Ein paar Leute haben mich nachher darauf angesprochen, ob Yoga denn auch Spaß machen darf, und wenn ja, dann würden sie es doch mal ausprobieren –
da fand ich die Aktion dann noch lustiger, sogar sinnvoll, weil es genau das ist, warum ich (und viele andere Menschen) Yoga-Fotos posten:
Wir wollen in die Welt schreien: Yoga ist toll, mach mit!
Ich schrei das halt lieber mit Spaßbildern und Asanas in die Welt, die jede/r nachmachen kann, weil ich niemanden abschrecken möcht –
aber das ist nur meine persönliche Sicht der Dinge.

Spannend auch immer –
Fotos meiner Pflanzen (in den Storys):

https://www.instagram.com/sibl_and_the_wheel/

Ja, die blühen andauernd, irgendeine sicher, und ja, ich bring auch die schrägsten Orchideen durch, manche davon gedeihen wirklich auch teilweise in der Dusche, aber ich gestehe:
Ganz viele bring ich auch einfach nicht durch.
Mehrere Vandeen mussten dran glauben, weil mein Wohnzimmer halt doch kein Regenwald ist, und einige Versuche wie der Moringabaum wurden stillschweigend der Biotonne zugeführt – und davon macht niemand ein Foto, das er postet.
Aber pst, niemandem weitersagen!

Und natürlich hab ich auf der Hochzeit meines Vater in der Hotellobby keinen Yogaflow hingelegt:

Aber der Hochzeitsfotograf fand das Motiv schön, und das Foto wurde ja auch wirklich gut.

Es ist eine abgespeckte Ehrlichkeit, die wir auf Instagram oder Facebook leben, eine, die niemandem wirklich weh tut, aber eben immer ein kleines bisschen Wahrheit verschleiert, weglässt –
meistens natürlich die Wahrheit, die ohnehin keinen interessiert, das muss man schon sagen.

Was ich in Sachen Yoga nie mache?
Dinge posten, die wirklich #fake sind.

Wenn ich den Kopfstand nicht kann, dann poste ich kein Foto davon, nachdem mich jemand nach oben gezogen hat und vielleicht sogar meine Beine festhält.
Wenn ich ihn dann kann, freu mich mich natürlich umso mehr –
auch wenn’s damals noch nur mit Baum war und ich lange geübt hab.

Wir sollten die sozialen Medien als das ansehen, was sie sind:
Schlüssellöcher, durch die wir in fremde Welten sehen können, aber niemals exakte Abbildungen der Wirklichkeit. Fotos dienen in den allermeisten Fällen als Werbung, sind eine Kunstform und halten, wenn überhaupt, einen kleinen Augenblick im großen Ganzen fest.
Das macht aber überhaupt nichts –
solange wir uns klar darüber sind und nicht versuchen, jemandem nachzueifern, dessen Bilder so toll aussehen.
Denn auch diese Bilder zeigen nur einen kleinen Ausschnitt einer Wirklichkeit –

und dennoch blicken wir alle gern durch Schlüssellöcher, wenn wir ehrlich sind.
Nicht wahr?

#Namaste!

***
An dieser Stelle ein dickes, fettes Danke an meinen #Instahusband, der nicht nur meinen manchmal narrischen Fotowünschen nachkommt, sondern auch oft eigene Ideen hat, was cool ausschauen könnt –
danke dafür! <3

Denn eins ist klar:
Wer vom Yoga leben möcht, der muss für sich selbst Werbung machen –
und sich für eine Art und Weise entscheiden, wie er oder sie das tut.

#Namaste!

 

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Die Ruhe nach dem Sturm. Oder davor?

Vor zehn Minuten lag ich noch in Savasana auf meiner Yogamatte und hab versucht, mein Gedankenkarussell zu stoppen –
aber das wollte heute partout nicht klappen.

© Sibl and the Wheel
© Sibl and the Wheel

Immer wieder kehrte mein monkey mind zu irgendwelchen Themen zurück, die mir momentan am Herzen liegen.
Und wie so oft war es auch heute das eine Thema, das mich besonders gefangenhält:
meine mir eigene Art, den Menschen rund um mich die Wahrheit zu sagen.
Meistens versuch ich es sehr liebevoll, meistens mit wirklich guter Absicht, und am allermeisten passiert es einfach, ohne dass ich es wirklich kontrollieren kann:
Die Wahrheit sprudelt nur so aus mir heraus.

Ich vergreif mich zwar nur sehr selten im Tonfall und mein es wirklich immer gut –
aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die meisten Menschen die Wahrheit nicht hören wollen, nicht einmal, wenn sie explizit danach fragen.
(Das ist etwas, das ich wohl nie verstehen werde –
Warum fragen sie dann?)

Es gibt aber so Fälle, in denen kann ich mich einfach nicht beherrschen –
wenn mir zum Beispiel jemand ständig erzählt, wie schlecht es ihm geht, sich aber keineswegs darum bemüht, etwas an seiner Situation zu ändern.
Wenn mir jemand ständig damit in den Ohren liegt, dass ich ihm helfen soll, meine Hilfe aber jedesmal ablehnt.
Oder wenn mir Freund/innen Tag und Nacht erzählen, wir schrecklich ihre Beziehung ist, diese aber Jahr um Jahr fortführen.

Da überholt mein Mund manchmal meinen Kopf, ohne dass ich es wirklich steuern kann.

Ich hab auf der Yogamatte sehr viel über mich gelernt, auch zu akzeptieren, dass man Menschen eben nicht retten kann, dass es meistens nicht mal sinnvoll ist, es zu versuchen, und dass meine manchmal extreme Ehrlichkeit wohl auch mit meiner Kindheit zu tun hat.
Denn:
Ich war ein furchtbares Kind.

Ich war laut, lästig, ich hab gelogen und meiner Familie wohl nicht nur einmal das Leben zur Hölle gemacht.
Klar, man könnte jetzt sagen, meine Eltern hätten mich besser erziehen sollen, das ist wohl auch ein bisschen wahr, aber als dreifache Mutter hab ich mittlerweile gelernt:
Es ist nicht alles Erziehung, jedes Kind ist anders, und manche Kinder vertragen Regeln besser als andere.
Ich hätte schon als Kind dringend Yoga gebraucht, glaub ich.

Irgendwann kam der Punkt, an dem ich erkannt habe, dass Lügen wirklich kurze Beine haben, dass ich mit Lügen im Leben nichts erreiche –
und auch, dass die Wahrheit zwar manchmal weh tut, mir aber ein persönliches Anliegen ist.

© Sibl and the Wheel
© Sibl and the Wheel

Yoga hat mir dabei geholfen, meinen rastlosen Geist wenigstens manchmal beruhigen und besser entscheiden zu können, wann ich den Mund aufmache und wann nicht.
Yoga hat mich aber auch gelehrt, mich selbst so zu lieben, wie ich bin –
und ich bin eben ein Mensch, dem die Wahrheit am Herzen liegt und der es wohl nie aufgeben wird zu versuchen, anderen zu helfen …
wer will schon seinen Familienmitgliedern oder Freund/innen beim Leiden zusehen?
Eben.

Seit ich weiß, dass es im Yoga yamas und niyamas gibt und dass satya eines der fünf yamas ist und Wahrhaftigkeit bedeutet – Wahrhaftigkeit in Worten, Taten und Gedanken, gegenüber anderen und gegenüber sich selbst – seitdem versuche ich noch mehr als zuvor, Wahrheit und Wahrhaftigkeit in meinem Leben zu integrieren.
Natürlich soll diese Wahrheit niemand anderen verletzen –
das ist nur leichter gesagt als getan.
Manchmal kann die Wahrheit auch aufrütteln und jemandem helfen, selbst wenn sie ihm kurz weh tut –
eine Gratwanderung, vor allem in dieser postfaktischen Zeit, in der wir leben, in der persönliche Gefühle mehr Wert zu sein scheinen als harte Fakten.

Manchmal ist es schwer, jemand zu sein, der wahrhaft spricht und auch kleine Notlügen oder unehrlichen small talk nicht besonders toll findet.
Aber ich hab allein auf meiner Matte mit mir selbst gelernt:
Ich muss andere so annehmen, wie sie sind, denn ich kann sie nicht ändern –
ich muss aber auch mich so annehmen, wie ich bin, wenngleich ich bei mir selbst kleinere odere größere Korrekturen vornehmen kann.

© Sibl and the Wheel
© Sibl and the Wheel

Doch das heißt umgekehrt auch:
Ich darf so sein, wie ich bin, ich muss mich nicht verstellen –
eine echte Befreiung für jemanden wie mich, der lange Zeit versucht hat, jemand anderer zu sein, nur damit er …
ja, was eigentlich wird?
Cooler?
Beliebter?
Begehrenswerter?

Nein danke.

Ich hab eine tolle Familie, die ich mehr als alles andere liebe.
Ich hab Freund/innen, die mich so mögen, wie ich bin.
Und ich kann mittlerweile in den Spiegel schauen und sagen:
Ja, ich mag dich.
(Das war lange Zeit vollkommen anders.)

All das hab ich auf meiner Yogamatte gelernt.
Was gibt es schöneres?

Namaste!

***

Dennoch:
Ein kleines Entschuldigt! an alle, die ich mit meinen Worten manchmal verletze …
das ist niemals meine Absicht.

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